Stiller (1995)

03Plakatvon Max Frisch

13. und 14. Janaur 1995, Theater i de Sidi, Witnerthur
19. Januar 1995, Wetzikon
26. Januar 1995, Olten
27. Januar 1995, Wattwil
28. Januar 1995, Theater im Fass, Schaffhausen
1. Februar 1995, Thalwil
2. bis 4. Februar 1995, Kulturhaus Dynamo, Zürich

Darstellende

Bühnenarbeiterin, Pianistin: Claudia Seeberger
Der Herr, Knobel, Sachtleben: Johannes Hardmeier
Die Dame, Staatsanwältin: Belinda Tammaro
Fremdling: Marius Leutenegger
Zöllner, Georges, Ober: Rolf Tschudi
Kommissar, Verteidiger, Zeitungsverkäufer: Benjamin Gygax
Julika: Andrea Herdeg

Team

Bühnenbearbeitung und Regie: Marius Leutenegger
Bühnenbild: Benjamin Gygax
Kostüme und Requisiten: Claudia Seeberger, Belinda Tammaro, Andrea Herdeg
Beleuchtung: Bernhard Rubin
Ton: Johannes Hardmeier
Maske: Isabelle Schnederle
Souffleusen: Sandra Eugster, Christina Hwang

Brief an unser Publikum

Haben Sie ein Theaterstück namens «Stiller» schon einmal auf der Bühne oder am Fernsehen gesehen? Vielleicht, denken Sie – und erinnern sich dabei wahrscheinlich nur an den gleichnamigen, weltberühmten Roman von Max Frisch. Ein Theaterstück «Stiller» gibt es nicht, zumindest keines, das Frischs Feder entsprungen ist. Die diesjährige fraz?-Produktion ist daher eine Novität, eine eigentliche Uraufführung.

Das klingt bedeutender, als die Wirklichkeit ist. Frisch hatte wie viele andere Künstler die Gewohnheit, seine Stoffe zu «melken», sie mehrmals zu verwenden. Der Roman «Stiller» diente ihm deshalb als Grundlage für ein wenig bekanntes Hörspiel, «Rip van Winkle». Auf diesem Hörspiel wiederum basiert unsere Bühnenversion.

Gemäss unserer Vorstellung vom Autorentheater wollten wir Frischs Vorlage weitgehend in ihrer ursprünglichen Form belassen. Da ein Bühnenstück aber andere Anforderten an einen Text stellt als ein Hörspiel, haben wir uns erlaubt, für die Theaterversion einzelne Stellen abzuändern – und zwar ausschliesslich, indem wir sorgfältig strichen oder Teile aus dem Roman einflochten. Alles, was Sie während dieser Inszenierung hören, ist deshalb Originalton Frisch.

Wenn Sie den Roman «Stiller» kennen, werden Sie bei unserer Theaterfassung vielleicht einige Themen vermissen, Ein mehrhundertseitiges Buch lässt sich nicht vollumfänglich in eine Aufführungszeit von weniger als zwei Stunden packen. Der Roman ist eine ergreifende Liebesgeschichte, ein Bericht über eine Identitätskrise, ein Künstleraufsatz, ein Doppelgänger-Krimi – man kann nicht all diese Aspekte des Buches in eine Spielform pressen. Zumindest nicht, ohne beim Publikum Langeweile durch Übersättigung auszulösen.

Frisch war sich dieser Problematik bewusst. und in seinem Hörspiel «Rip van Winkle» beschränkte er sich deshalb weitgehend auf einen zentralen Aspekt: den Umgang mit dem eigenen Ich, die Weigerung, sich mit dem Bildnis abzufinden, das sich andere von einem machen – die Identitätskrise eben Der andere prägende Teil des Romans, die subtil beschriebene Entwicklung einer unmöglichen Liebe, hat auf der Bühne kaum mehr Platz, die Eheproblematik wird nur angedeutet. Was Stiller in seine Verweigerung – und in seine neue Rolle als etwas ulkiger Fremdling – getrieben hat, bleibt deshalb unbeantwortet. Die Hintergründe seiner Geschichte sind aber auch nicht besonders wichtig für das Verständnis des Stücks; den Kampf gegen die Vorurteile, die unsere Mitmenschen uns gegenüber haben, kennen wir wahrscheinlich alle in seiner ganzen Hoffnungslosigkeit, und wir können deshalb die Situation des Fremdlings nachempfinden. Auch wenn die meisten von uns nie derart konsequent gegen Bildnisse ankämpfen wie Stiller.

Frisch beschäftigte sich zeitlebens mit dem Gebot, dass man sich von anderen kein Bildnis machen sollte. Diese Thematik ist der rote Faden durch sein Werk. Er plädierte nicht immer für Toleranz, aber jederzeit für Offenheit gegenüber dem Wandel eines Menschen. Wir teilen die Bedenken, die Frisch gegenüber Bildnissen und Pauschalisierungen hatte. Doch wir sind uns auch bewusst, wie schwierig es ist, ohne Stempelkissen durchs Leben zu gehen und andere nicht nur nach unserem vordergründigen Wissen oder unserem oberflächlichen Eindruck zu qualifizieren.
Wir hoffen, Ihnen mit Stiller einige der vielzitierten «Denkanstösse» geben zu können. Nicht minder wünschen wir Ihnen aber einen vergnüglichen Theaterabend. Denn bei aller Ernsthaftigkeit der behandelten Thematik möchten wir mit unserer Darbietung vor allem eines: Sie gut unterhalten.

Lesen Sie die Kritik zu Stiller.

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