Klick! (2004)

von Marius Leutenegger (Text) und Christoph Frei (Musik)

27. und 28 August sowie 2., 4 und 10. September 2004, Hallenbau Promenadengasse, Zürich
1. November 2004, Adliswil

Darstellende

Christina Hwang, Mireille Jaton, Ursula Mezger, Linda Schopper, Nicole Volkart, Adrian Etter, Christoph Frei, Kaspar Hensel, Marius Leutenegger, Bernhard Rubin.

Team

Regie: Marius Leutenegger
Musik: Christoph Frei
Kostüme: Linda Schopper
Technik: Bernhard Rubin

Brief an unser Publikum

Einst war Frieden auf Erden. Niemand sagte: Du verstehst mich nicht. Und keiner antwortete: Danke, gleichfalls. Es war eine Zeit ohne männliche Angeberei und ohne weibliche Vorliebe für Shopping. Es gab nämlich weder Frau noch Mann – und darum auch keinen Geschlechterkampf, keine Untreue, nicht einmal diese verstohlenen Blicke hinter jedem daherrauschenden Minirock. Es war eine herrliche Zeit. Naja, es geht, denn die meisten Lebewesen sahen damals so aus:

Weil sich solches Getier ungeschlechtlich fortpflanzte, sich also sozusagen ständig selber klonte, entwickelte es sich nur sehr langsam und, wir wollen das hier einmal festhalten, kaum zu seinem Besseren. «Das kann ich doch viel knackiger», sagte sich da die Natur. Und sie erfand die Sexualität. Die ersten Resultate der modernen zweigeschlechtlichen Fortpflanzung waren tatsächlich aufsehenerregend:

Leider erwies sich die neue Bio-Technologie aber nicht nur
als Segen. Sexualität bedeutete auch, dass eine Art in 2 Geschlechter geteilt wurde, die nicht nur unterschiedlich ausgestattet waren, sondern aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit auch unterschiedliches Verhalten an den Tag legten. Damit war die Grundlage für das grösste Drama der Geschichte gelegt: Das Drama, das es ohne einander nicht geht, man miteinander aber auch nicht klar kommt. «Was für ein toller Theaterstoff!» sagten wir uns. «Damit müssen wir unbedingt etwas machen!» Gute Idee, wenn auch nicht ganz neu, wie wir feststellen mussten; andere waren uns zuvor gekommen und hatten das Thema Liebe bereits auf die Bühne gebracht. Das war natürlich ein grosser Ärger für uns, aber so schnell gaben wir nicht auf – und fanden schliesslich einen praktisch neuen Ansatz, die Liebe zu behandeln: als Doku-Revue.

Sie wissen nicht, was eine Doku-Revue ist? Kurz gesagt: Wir versuchen, wissenschaftliche Erkenntnisse und Theorien zu den Themen Nummer eins und zwei – Sex und Liebe bzw. umgekehrt – auf die Bühne zu bringen und dazu zu singen. Klingt ganz einfach, ist aber total schwer. Denn je tiefer wir in die Materie eintauchten, umso mehr Schwierigkeiten bekamen wir mit unseren Partnerinnen und Partnern. Plötzlich begriffen wir nämlich, welche Absichten hinter ihren Handlungen standen. Und es waren nicht immer die besten, das können wir Ihnen sagen. Nun verstanden wir, warum sie immer die Beine übereinander schlagen, nachdem wir das gerade selber getan haben. Oder warum sie sich parfümieren. Weshalb sie uns beim ersten Treffen immer so eigenartig angelächelt haben. Und so weiter. Kurz: Der durch «Klick!» gewonnene Wissensvorsprung führte zu Spannungen, Tränen und unglücklich aufgeklärten Missverständnissen. Das ist der Preis, den Spielverderber dafür zahlen, wenn sie die Tricks der Natur durchschauen wollen.

Wenn Sie eine harmonische Partnerschaft führen und das so bleiben soll, müssten wir Ihnen deshalb von einem Theaterbesuch abraten – wären da nicht die vielen wunderschönen Lieder, die wir Ihnen als Trostpreis für die bestenfalls gut gemeinte Aufklärung anbieten können. Sicher sahen Sie noch nie Spermien auf der Bühne einen Blues anstimmen. Oder Sexuallockstoffe ein Duett trällern. Dass Sie endlich einmal all die kleinen Freunde, die Ihr Leben mehr prägen, als Ihnen lieb sein dürfte, persönlich kennen lernen können – das wird Sie für manchen Ärger, den Ihnen dieses Stück einbrockt, entschädigen.

Hoffentlich.

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