Bunbury oder Es ist wichtig, ernst zu sein (1998)

06PlakatEine triviale Komödie für ernsthafte Leute

von Oscar Wilde

31. Januar 1998, Thalwil
5. bis 7. und 12. bis 14. Februar 1998, Theatersaal Rigiblick, Zürich

Darstellende

John Worthing: Benjamin Gygax
Cecily Cardew: Christina Hwang
Miss Prism: Nicole Volkart
Dr. Chasuble: Bernhard Rubin
Algernon Moncrieff: Marius Leutenegger
Lady Bracknell: Anja Suter
Gwendolyn Fairfax: Zeynep Çakir
Diener Merriman: Peter Stamm
am Klavier: Gabi Freiburghaus, Anita Freiburghaus

Team

Regie: Marius Leutenegger
Kompositionen: Anita Freiburghaus
Bühnenbild und Licht: Benjamin Gygax, Bernhard Rubin
Kostüme: Eva Giezendanner
Ausstattung: Christina Hwang, Nicole Volkart, Anja Suter, Zeynep Çakir
Maske: Gabriela Freiburghaus
Technik: Giancarlo De Vito
Souffleusen: Sandra De Vito, Sandra Eugster

Brief an unser Publikum

Wir sind keine Wahrsager. Aber wir wissen: Auch Sie würden wahrscheinlich gerne hin und wieder aus Ihrem Alltag ausbrechen, eine zweite Identität annehmen, als vordergründig anderer Mensch neue Erfahrungen sammeln – zum Beispiel einmal eine Bank überfallen oder sich wie ein Ferkel benehmen. Das Korsett, in das wir uns selber drücken und in das wir von unserem Umfeld gedrückt werden, ist manchmal eben etwas eng geschnürt.

Mit «Bunbury» von Oscar Wilde möchten wir Ihnen ein Stück vorstellen, das die Thematik des Doppellebens behandelt. Die Ausgangslage der Komödie ist simpel: Algernon, ein Salonlöwe im viktorianischen London, hat einen Dauerinvaliden namens Bunbury erfunden, der ihm einen Vorwand zu gelegentlichen Abstechern aufs Land liefert. Algernons Freund Jack, der auf dem Land wohnt, hat seinerseits eine Figur entwickelt, die es ihm ermöglicht, regelmässig in die Stadt zu fahren: einen unmoralischen Bruder namens Ernst, der dauernd über die Stränge schlagen soll und des verwandschaftlichen Beistands bedürfte. Algernon und Jack benutzen ihre Fiktionen, um unterzutauchen. Was sie mit der erschlichenen Freiheit anstellen, wird im Stück nicht erläutert – zwischen den Zeilen ist aber herauszuhören, dass sie unmoralischen Vergnügungen nachgehen. Dummerweise verlieben sich zwei junge Damen in den erfundenen Ernst, hauptsächlich, weil Ernst ein so bedeutender Name sei. Das bringt Algernon und Jack in ernste Schwierigkeiten, denn einerseits möchten sie ihre Lügen nicht auffliegen lassen, sich andererseits die Zuneigung der Damen nicht verspielen. Es kommt zu Verwechslungen, Irrungen, Wirrungen – und zu einem überraschenden Ende.

Eine triviale Verwechslungskomödie, finden Sie? Sie haben recht. Doch Sie haben auch Unrecht. Einerseits ist das Skelett des Stücks jenem eines gewöhnlichen Schwanks nicht unähnlich. Andererseits ist die Art, wie Wilde seine Idee umsetzt, von einmaliger Virtuosität. Er reiht eine zündende Bemerkung an die nächste, die Dialoge sind wahre Feuerwerke scharfsinnigen Witzes, die vordergründig schlichten Konstellationen werden raffiniert verfeinert, die einzelnen Handlungsstränge gekonnt verwoben. Es ist eine Lust, den schlagfertigen Figuren zuzuhören, und wir versprechen Ihnen, dass Sie sich im Verlaufe der Aufführung mehr als einmal wünschen werden, Oscar Wilde hätte nicht ganz so viele gelungene Aphorismen in seinen Text gepackt – denn Sie werden sich kaum alles merken können, was an geistreichen Bemerkungen auf Sie niederprasselt.

Natürlich steckt hinter der sprühenden komödiantischen Energie von «Bunbury» auch ein Schuss Ernsthaftigkeit: Es geht, wie in fast allen bisherigen fraz?-Stücken, um den Widerspruch zwischen Sein und Schein. Algernon und Jack sind gezwungen, ein Doppelleben zu führen, weil sie gelegentlich aus den starren Konventionen ihrer Gesellschaft ausbrechen wollen. Oscar Wilde selbst lebte ebenfalls eine zweifache Existenz: Auf der einen Seite war er ein gefeierter, beliebter Künstler, zweifacher Familienvater und Märchenerzähler. Auf der anderen Seite war er ein dekadenter schwuler Dandy, der sein Geld in homosexuellen Bordellen verprasste.
Unmittelbar nach der triumphalen Uraufführung von «Bunbury» am 14. Februar 1895 ereilte den Poseur Wilde jenes Schicksal, das er seinen Bühnenfiguren zugedacht hatte: Das Doppelleben flog auf. Die Folgen waren in der Wirklichkeit viel härter als im Stück. Wilde wurde wegen Unzucht zu zwei Jahren Zwangsarbeit verurteilt und von der Gesellschaft, die ihn jahrelang bejubelte, fallengelassen.

Die Lehre daraus? Sie darf nicht heissen, dass wir uns immer in unserem gesellschaftlichen Rahmen bewegen sollten. Sondern eher, dass wir ein Leben führen sollen, das Lügen uns und anderen gegenüber nicht ständig notwendig macht. Manchmal ist das schwierig. Doch eine Rolle zu spielen, die uns eigentlich nicht behagt, ist auch nicht einfach – als leidenschaftliche Darsteller wissen wir, dass Fehlbesetzungen selten zu erbaulichen Resultaten führen.

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