Thomas Hudetz steht dem Bahnhof einer kleinen Ortschaft vor. Bei der klatschwütigen Bevölkerung gilt er als pflichtgetreuer Beamter – und als bemitleidenswerter Ehemann, der von seiner deutlich älteren und verbitterten Frau gequält wird.
Anna, die junge Tochter des Wirts, will die Frau des Vorstands necken, indem sie Hudetz am Bahnhof einen schnellen Kuss auf die Backe drückt. Aus dem vermeintlichen Spass wird blutiger Ernst: Hudetz gerät aus der Fassung, versäumt es, ein Signal zu stellen, ein Zug donnert in einen anderen.
Den schweren Unfall nutzt Ödön von Horvath als Ausgangslage für ein vielschichtiges Stück über Schuld, Verantwortung und Solidarität. «Der jüngste Tag» ist Krimi und Sozialdrama in einem, es unterhält und berührt gleichermassen.
Trotz seiner enormen Bühnenwirksamkeit zählt das Stück – erstaunlicherweise – zu den weniger bekannten Werken des deutsch-ungarischen Schriftstellers. Dabei nimmt es in dessen Biografie eine herausragende Stellung ein: Mit Jahrgang 1937 ist es das letzte Drama, das Horvath verfasste. Horvath starb 1938, als er auf der Flucht vor den
Nazis in Paris von einem herabfallenden Ast erschlagen wurde.
Aufgeführt vom 8. bis 28. September 2014 im Theater Wülflingen in Winterthur.