«Heisst dies Geschichte, dass der Unverstand unsterblich wiederkehrt und triumphiert?», lässt Max Frisch seinen Brutus in «Die Chinesische Mauer» fragen. Die erste Version dieses Stücks entstand 1947 – also unmittelbar nach der grössten Katastrophe der Menschheit, dem Zweiten Weltkrieg, und schon mitten in der nächsten, dem Kalten Krieg. Brutus‘ Frage musste einem Menschen, der nachdenkt, damals auf der Zunge liegen.
Das so tiefsinnige wie unterhaltsame Stück spielt im Immer und Überall, vor allem aber im alten China. Tsin Sche Hwang Ti, der Erste erhabene Kaiser, der immer im Recht ist, hat den Bau der Grossen Mauer beschlossen, um ein für allemal die Zukunft zu verhindern. Dass er bei aller Macht nur eine winzige Epsiode der Geschichte bleiben wird, vermag er so wenig zu erkennen wie all die anderen historischen Figuren, die im Stück auftreten – Pontius Pilatus, Columbus, Napoleon, Cleopatra und so weiter.
Max Frisch nannte «Die Chinesische Mauer» eine Farce – damit bezeichnet man eine derb-komische, schnelle und oft ans Absurde grenzende Theaterform. Aber natürlich ist Frischs Stück nicht nur aus formellen Gründen eine Farce, sondern vor allem deshalb, weil es uns eine solche vor Augen führt: die ewig wiederkehrende Farce der Macht.
Aufgeführt vom 31. August bis 5. September 2010 im Kongresshaus Liebestrasse in Winterthur.